John B. Goodenough wird 100 Jahre alt!
Batterieforscher und Nobelpreisträger
Es geschieht nicht häufig, dass die Wissenschaftler hinter bedeutenden Entwicklungen ebenso im Rampenlicht stehen wie ihre Erfindungen. Noch seltener hat einer dieser Wissenschaftler jedoch eine Verbindung in unsere direkte Nachbarschaft und ist maßgeblich an einem der Themen beteiligt, die große Bedeutung für die IBU-tec erlangt haben: John Bannister Goodenough hat entscheidende Beiträge zur Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien geleistet, ist Nobelpreisträger, wird am 25. Juli 100 Jahre alt und wurde in Jena geboren!
„Ich mag den Gedanken, dass es zu meinem Erbe gehört, zur Hochzeit der Physik und der Chemie beigetragen zu haben: Natürlich nicht allein. Wir bewegen uns unweigerlich und unaufhaltsam auf die Interdisziplinarität zwischen Materialphysik und Materialchemie zu.“
– John B. Goodenough
Nobelpreis im hohen Alter
"Wie die Erfinder der Lithium-Ionen-Batterie die Welt veränderten" – so wurde der Nobelpreis für Chemie im Jahr 2019 an John B. Goodenough, Michael Whittingham und Akira Yoshino verliehen – Spiegel der schrittweisen, systematischen Entwicklung der Batterietechnologie.
In diesem Jahr hat einer von ihnen einen besonderen Anlass zu feiern. Goodenough erreicht am 25. Juli seinen 100. Geburtstag! Mit 97 Jahren war er der älteste Mensch, der jemals einen Nobelpreis erhalten hat und er ist der älteste lebende Inhaber.
Kindheit in Europa und den USA
Seine Verbindung zu Thüringen und Jena liegt weit zurück. In den 1920er Jahren forschte sein Vater an der University of Oxford und genoss lange Sommerurlaube in der Weimarer Republik. Während eines solchen wurde John Bannister Goodenough dann in Jena geboren. Aufgewachsen ist er allerdings in komfortablen Verhältnissen in Oxford und später in den USA, nachdem die Familie mit ihren drei Kindern 1928 zurückgekehrt war. Goodenough erlebte eine freiere und naturverbundenere Kindheit, als man sie sich 100 Jahre später noch vorstellen kann – unbeaufsichtigtes Erkunden der Wiesen und Wälder zusammen mit seinem Hund Mack. Zu dieser Zeit lehrte sein Vater an der University of Yale, wo John später auch seinen Bachelor in Mathematik erlangen sollte – summa cum laude übrigens.
Goodenough – Werdegang in unruhigen Zeiten
Den Abschluss machte er rechtzeitig, um ab 1943 als Meteorologe im zweiten Weltkrieg zu dienen, inklusive einiger interessanter Verwicklungen in Geschehnisse, die Weltgeschichte werden sollten. Nach Kriegsende fühlte er die Berufung zurück zur Wissenschaft. Einer seiner alten Dozenten ermöglichte ihm den Weg an die University of Chicago zum Studium der Physik, denn Goodenough war der Ansicht, dass die Wissenschaften von elementarer Bedeutung für das 20. Jahrhundert sein würden – und dass die Physik eine der fundamentalen Grundlagen aller Wissenschaften sei. Als er sich jedoch für die ersten Kurse anmeldete, bemerkte ein Professor: "Ich verstehe euch Veteranen nicht. Wisst ihr nicht, dass jeder, der etwas Bedeutendes in der Physik geleistet hat das schon getan hatte, als er in eurem Alter war?" Doch Goodenough hatte ein wirkliches Gespür für Physik.
Nachdem er 1952 promoviert hatte, ging er an das Lincoln Laboratory des MIT, wo er sich der Arbeit an einem Speichersystem für das erste computergestützte Luftverteidigungssystem anschloss – SAGE. Goodenough wurde zu einer Schlüsselfigur in der Entwicklung des ersten Direktzugriffsspeichers (Random Access Memory – RAM), unverzichtbar in allen heutigen Computern.
Goodenoughs Forschung an Lithium-Ionen-Batterien
Die USA hingegen sollten nicht Schauplatz der Arbeit werden, aufgrund derer man sich heute an ihn erinnert: Im Alter von 53 Jahren ging er, wie sein Vater vor ihm, von den USA nach England, um ab 1976 als Professor und Leiter des Labors für anorganische Chemie an der University of Oxford zu lehren und zu forschen.
Hier wandte Goodenough seine Aufmerksamkeit dem aufstrebenden Gebiet der Batteriechemie zu. Auf Basis des von Whittingham erfundenen grundlegenden Batteriedesigns entwickelte er eine neue Kathode, die die Struktur erheblich stabilisierte und die Kapazität verbesserte. In Kombination mit einer von Yoshino entwickelten Anode entstand so eine leistungsstarke, sichere Batterie, die Hunderte von Malen wieder aufgeladen werden konnte.
Während dieser Zeit leitete Goodenough eine multidisziplinäre Gruppe, die die Intuition der Physik mit der Akribie der Chemie und dem Pragmatismus der Ingenieure zu verbinden suchte. Gemeinsam begannen sie, andere Materialien zu erforschen, um Kapazität und Sicherheit von Batterien immer weiter zu verbessern. Dazu erforschten sie Kathoden mit einer Spinell-Kristallstruktur. In normalen Kobaltkathoden sind die Atome in Schichten angeordnet, sodass sich die darin gespeicherten Lithiumionen nur entlang dieser Schichten bewegen können. In einem Spinell kann diese Bewegung in drei Dimensionen erfolgen, sodass mehr Wege entstehen, wie Ionen in die Elektrode finden können – das Auf- und Entladen ist schneller möglich.
Ein Jahr später schon, im Jahr 1982, entwickelte Goodenoughs Labor dann eine bahnbrechende Mangan-Spinell-Kathode, die noch billiger und noch sicherer war als sein ursprüngliches Kobalt-Oxid. Doch Goodenough, dachte sich, dass es doch noch etwas Besseres geben müsse! Nach und nach wertete er systematisch verschiedene Übergangsmetalle aus: Kobalt, Mangan, Vanadium, ... Schließlich brachte eine Kombination aus Eisen und Phosphor eine vielversprechende Olivinstruktur hervor: Lithiumeisenphosphat. Das Lithium wird beim Auftreten von Potenzialen entzogen und wieder einlagert – ein sensationelles Ergebnis für Goodenough.
Zum dritten Mal hatte Goodenoughs Labor nun schon eine wegweisende Lithium-Ionen-Kathode mit kommerziellen Möglichkeiten hergestellt – mit Kobaltoxid, mit Manganspinell und jetzt mit Eisenphosphat.
Heute sind Goodenoughs Variationen des Kathoden-Designs allgegenwärtig: Batterien mit einer Lithium-Manganoxid-Kathode werden in vielen Elektroautos eingesetzt. Seine Lithium-Eisenphosphat-Kathode findet sich in vielen modernen Elektrowerkzeugen oder stationären Energiespeichern und Elektrofahrzeugen.
"Ich habe gelernt, offen für Überraschungen zu sein", sagte Goodenough einmal dem University of Chicago Magazine, und "keine vorgefassten Meinungen zu haben oder sich dem zu verschließen, was funktionieren könnte".
Title picture: © Nobel Media. Photo: A. Mahmoud
Bottom picture: Photo courtesy of The University of Texas at Austin